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Brave GNU World - Ausgabe 23
Copyright © 2000, 2001 Georg C. F. Greve <greve@gnu.org>
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Willkommen zu einer neuen Ausgabe von Georg's Brave GNU World.

Debian Jr.

Das Debian Jr. Projekt [5] wurde von Ben Armstrong ins Leben gerufen, um eine spezielle Debian-Distribution für "Kinder von 1 bis 99" zu erstellen. Ziel ist, die Kinder früh spielerisch an den Computer im Allgemeinen und das Debian-System im speziellen heranzuführen. Im Alter von 10 Jahren sollte die Benutzung einer Standard-Debian GNU/Linux oder GNU/Hurd Distribution für damit großgewordene Kinder keine Probleme mehr bereiten.

Der aktuelle Entwicklungs-Fokus liegt auf der Altersgruppe von bis zu 8 Jahren, um dann die Gruppe bis 12 im zweiten Schritt anzugehen. Die erste Anlaufstelle sind die Eltern, Lehrer, älteren Freunde und Verwandten, die bereits Debian benutzen und es gerne mit den Kindern in ihrem Leben teilen möchten. Genau genommen hat das Debian Jr. Projekt also zwei Zielgruppen. Für diese erste Gruppe, die im weitesten Sinne die Systeme administrieren werden, soll die Installation von kindgerechten Paketen und vorbereiteten Setups vereinfacht werden. So soll es beispielsweise zu den einzelnen Themenbereichen Task-Pakete geben, die in bekannter Debian-Manier Abhängigkeiten zu den für diese Aufgabe benötigten Programmpaketen aufweisen.

Die zweite Zielgruppe sind natürlich die Kinder. Die Programme müssen für sie leicht benutzbar und auf ihre Bedürftnisse zugeschnitten sein - außerdem muß die Bedienung Spaß machen, da dies ein wesentlicher Motivationsfaktor ist. Doch es gibt noch einen zweiten Aspekt der bei der Anpassung auf Kinder beachtet werden muß. Wie Ben Armstrong es ausdrückt: falls es irgendeinen Weg gibt, ein System außer Betrieb zu setzen, wird ein Kind ihn sehr, sehr schnell finden. Seine eigene Tochter hat ihn damit zum Wahnsinn getrieben, daß sie das Passwort täglich geändert und am nächsten Tag vergessen hat. Und dann war da noch der Tag, als sie sich entschloß, in ihrem Pico jedes nur vorstellbare File inclusive MP3-Files, Tar-Archive, den Kernel und /dev/dsp in ihren Buffer zu laden. Aus diesem Grund sollte ein gewisser Teil der Aufmerksamkeit auf das sogenannte "kidproofing" verwandt werden. Dazu gehört beispielsweise das freizügige Einführen von ulimits und Quotas sowie die Beschränkung des Zugriffs auf einige Werkzeuge und Funktionen.

Ein Schelm, wer glaubt, die hier gewonnene Erfahrung könne sich unter Umständen für die Konfiguration von Arbeitsplatzrechnern in so manchem Unternehmen nutzen lassen.

Die Frage, warum ausgerechnet Debian als Fundament für dieses Projekt dient, beantwortet Ben Armstrong ganz klar damit, daß er Debian aufgrund seiner starken Orientierung auf Freie Software bevorzugt. Es ist ein offenes System, bei dem viele Entwickler als Nutzer angefangen haben und aus Spaß an der Sache damit begannen, das System weiterzuentwickeln. Dies stellte für ihn die ideale Basis dar, um Kinder an den Umgang mit Computern heranzuführen.

Eine der größten Stärken des Systems, nämlich die, daß es von Freiwilligen erstellt wird, ist seiner Ansicht nach auch eine der größten Schwächen, da sich die Koordination der Zusammenarbeit gelegentlich als schwierig erweist. Natürlich kann Ben dieses große Projekt nicht alleine bewerkstelligen - doch die Zahl der aktiven Mitstreiter mittlerweile leider zu groß, um hier alle aufzuzählen (auf der Mailingliste sind im Moment 160 Personen eingetragen). Dennoch gibt es noch immer Bedarf an Hilfe. Speziell die Anpassung an andere Sprachen dürfte sinnvoll sein, da ja nicht alle Kinder mit Englisch als Muttersprache aufwachsen.

Weiterhin wird momentan nach einem geeigneten Logo gesucht und es ist geplant, spezielle Themes zu erstellen, damit es möglich wird, den Leuten etwas zu geben, auf das sie zeigen können und sagen "Das ist Debian Jr.".

Persönlich halte ich dieses Projekt für außerordentlich sinnvoll, da es Kinder einerseit schon früh an die Benutzung von Computern heranführt, ihnen dabei aber auch von Anfang an zeigt, wie Systeme im Geiste der Freiheit aufgebaut werden können. Dies erscheint mir eine gute erste Prägung im Umgang mit Technologien und Informationen.

Damit komme ich zu zwei Projekten, die etliche Leute interessieren dürften.

GTKtalog

GTKtalog [6] von Yves Mettier ist ein GTK+ basiertes Programm zur Katalogisierung von CDs. Vor allem Besitzer von umfangreichen CD-Sammlungen dürften es zu schätzen wissen, da es das Auffinden von Files extrem vereinfacht.

Natürlich ist dies bereits sehr hilfreich, wenn es darum geht, beispielsweise MP3 CDs zu katalogisieren. GTKtalog hat allerdings eine Fähigkeit, die es darüberhinaus besonders nützlich macht, denn es kann auch virtuelle Filesysteme wie tgz oder rpm Files auslesen und somit können auch Files gefunden werden, die sich innerhalb von Archiven befinden.

Zu den drängendsten Problemen zählt nach der Ansicht von Yves die mangelnde Dokumentation und die Tatsache, daß es noch keine deutschen und italienischen Versionen der Menüs gibt. Für etliche andere Sprachen ist die Internationalisierung bereits vollständig. Ansonten plant er, die Funktionalität zu verbessern. Es gibt an einigen Stellen Dinge, die er nicht als Bug bezeichnen würde, die aber benutzerfreundlicher gelöst werden könnten. Für das Schreiben der Dokumentation hätte er zudem gerne Unterstützung von außen, da er sich davon eine zusätzliche Qualitätssicherung des Programms erhofft. Außerdem würde er die Dokumentation aus Sicht des Autors verfassen, was seiner Ansicht nach nicht unbedingt die sinnvollste Perspektive für den Leser der Dokumentation darstellt.

Für die weitere Entwicklung gibt es ein relativ umfangreiches TODO File, welches der Autor der Reihe nach abarbeiten will. Doch obwohl noch daran entwickelt wird, ist GTKtalog definitiv bereits benutzbar, weshalb es auch seinen Weg auf die Mandrake-Distribution gefunden hat.

Yves Mettier hebt übrigens hervor, daß eine der schönsten Seiten des Entwickelns für ihr die Emails sind, die er erhält. Manchmal handelt es sich dabei um schöne Überraschungen wie eine weitere Übersetzung oder einen größeren Patch.

Selbstverständlich steht GTKtalog unter der GNU General Public License.

Auch das nächste Projekt beschäftigt sich damit, Daten zu katalogisieren.

Jam

Im Gegensatz zum vorherigen Projekt konzentriert sich Jam [7] auf Musik-CDs. Es ist dabei aber in der Lage, sowohl MP3 CDs als auch normale Musik-CDs zu verwalten, was die Erfassung aller vorhandener Musik in einer MySQL-Datenbank ermöglicht.

Besonders interessant ist auch die Möglichkeit, CD-Listen als XML-Files zu ex- bzw. importieren. Da die Datenbank auch ein "Owner" Feld besitzt, kann man z.B. die Listen eines Freundes importieren und weiß so über dessen Bestand ebenfalls bescheid.

Geschrieben wurd Jam von Fabian Mörchen und Thomas Schwarzpaul unter der GNU General Public License. Dabei ist übrigens unschön, daß Jam auf einige proprietäre (wenn auch kostenlose) Bibliotheken zurückgreift. Dies erzeugt im Wesentlichen dieselbe Problematik, wie sie KDE vor ein paar Jahren hatte - daher wäre es auf längere Sicht wohl besser, die proprietären Komponenten entweder durch Freie Software zu ersetzen oder daran zu arbeiten, diese zu Freier Software zu machen.

Als Problem sehen die Autoren im Moment noch die Installation an, die auf manchen Systemen nicht automatisch funktioniert, auch wenn die Installation von Hand relativ einfach ist. Was weitere Features angeht, so ist vor allem eine GUI geplant, da Jam bisher rein kommandozeilenorientiert ist. Außerdem möchten die Autoren gerne ein Output-Backend für HTML und TeX hinzufügen.

Was die Kernfeatures angeht, so ist geplant, Jam auch Playlists verwalten zu lassen und diese dazu zu verwenden beispielsweise CDs oder Tapes zu erzuegen. Weiterhin möchten sie auch einen MP3-Player & -Encoder anschließen und die Erstellung von CD-Covern unterstützen. Bis dahin ist noch Einiges zu tun und Hilfe ist ausdrücklich willkommen.

Entstanden ist dieses Projekt übrigens ursprünglich als Studienarbeit, die den Autoren dann so gut gefiel, daß sie sie als Freie Software herausgegeben haben. Dies hat übrigens noch den Nebeneffekt, daß der Sourcecode sauber strukturiert ist und auch für Einsteiger relativ leicht verständlich sein sollte.

GNU Font Editor

Der GNU Font Editor (GFE) [8] ist ein relativ frisches GNU Projekt von Anuradha Ratnaweera. Es handelt sich dabei um einen GTK+ basierten grafischen WYSIWYG-Editor für Fonts, der nach seiner Fertigstellung sowohl Raster- wie auch Vektor-Zeichenätze unterstützen wird. Die Zielgruppe sind dabei sowohl professionelle Designer wie auch Endanwender.

Da die bisher existierenden Programm größtenteils nur über die Kommandozeile benutzbar waren bzw. auf nicht-freien Toolkits wie Motif basierten, sah der Autor hier Handlungsbedarf. Allerdings wird er sich bei seiner Arbeit durchaus an bestehenden Lösungen wie z.B. den GNU Fontutils orientieren.

Momentan unterstützt GFE nur BDF Zeichensätze, daher ist der nächste wichtige Schritt auch die Unterstützung von PCF (X) Zeichensätzen und danach PS Fonts. Später will er sich dann TTF und anderen Formaten annehmen. Ein paar Schwierigkeiten erwartet er spätestens in dem Moment, wenn die vektorbasierten Fonts mit aufgenommen werden, da die gemische Repräsentation bisher noch nicht vollständig durchdacht wurde.

Wenn GFE allerdings fertig ist, wird es ein außerordentlich nützliches Tool sein, da mit ihm Fonts verschiedener Formate in nur einem Programm ineinander überführt werden können. Zudem wird es sich optisch sehr gut in die GTK/GNOME GUI einfügen.

Bis dahin muß jedoch noch einiges getan werden und Anuradha hätte vor allem gerne mehr Leute auf der Mailingliste, für eine stärkere Peer-Review, um die Entwicklung voran zu bringen.

GNU Typist

Auch GNU Typist [9] ist ein frischgebackenes GNU Projekt. Es handelt sich dabei ursprünglich um ein Programm von Simon Baldwin, der auch noch immer eine freie Java Version maintained [10]. Das davon abgeleitete GNU Projekt wird von Igor Támara und Vladimir Támara betreut.

Typist ist ein Programm, um das richtige und effiziente Tippen zu erlernen und üben. Dabei unterstützt GNU Typist verschiedene Keyboard-Layouts und ist über NLS internationalisiert. Es wurde bisher auf x86-GNU/Linux, x86-WinNT, x86-DOS, Aix und Sparc/SunOS erfolgreich eingesetzt, ist also sehr portabel.

Das Programm selber ist als ein Interpreter für Unterrichtsfiles konzipiert, die beliebig erweitert werden können. Das Erstellen weiterer Files für mehr Sprachen und Keyboardlayouts ist die wesentliche Aufgabe, die im Moment ansteht, da das Programm ansonsten bereits relativ komplett ist.

Das nächste Projekt ist zwar für viele Leute nicht von unmittelbarer Bedeutung, dürfte aber für Menschen interessant sein, die im Internet eine Shopping-Seite betreiben oder dies planen.

ISoSy

Das "Internationale Shopping System" (ISoSy) [11] von Stefan Zapf ist ein auf PHP und MySQL basierendes Online-Shopping System unter der GNU General Public License.

Es ist stabil, einfach anzupassen und es existiert eine logische Trennung zwischen generellem Design, Inhalt und dem Sourcecode. Das Projekt unterstützt dabei multiple Sprachen und Währungen, speichert aber die Kunden- und Bestellungsdaten in einer einzigen Datenbank. Hierdurch wird es möglich, eine Seite bzw. ein Bestellinterface für alle Kunden zu haben.

Das Projekt ist definitiv bereits einsetzbar und gerade kleine und mittlere Unternehmen können auf diese Art und Weise den Kontakt zu ihren Kunden verbessern. Das verwendete HTML-Design stammt übrigens von Robert Ükoetter aka Athelas.

Stefans Pläne für die Zukunft sind, die Anpassung noch einfacher zu machen, einige der Paramter aus dem Sourcecode in ein Optionsfile auszulagen und Dinge wie eine automatische Umschaltung der Währung bei Auswahl einer anderen Sprache.

Auf lange Sicht möchte er gerne ein GTK/C++ basiertes Programm schreiben, welches die Datenbank initialisiert, ihren Inhalt managed und automatischen FTP-Transfer zum Server unterstützt. Es sind also noch einige Dinge zu tun. Dazu sucht er Kontakt zu PHP-Hackern sowie Leute mit C- und GTK-Erfahrung.

Für ihn liegt der besondere Wert dieses Projekts übrigens darin, daß es sich um eine Möglichkeit handelt, Geld mit Freier Software zu verdienen, ohne die Ideale der Community zu verlieren.

MDK

Bei dem MIX Development Kit (MDK) [12] von Jose Antonio Ortega Ruiz handelt es sich um ein Projekt, welches es erlaubt, in einer MIX Virtual Machine MIXAL Programme zu entwickeln und auszuführen. Dazu sollte wohl gesagt werden, daß MIX der von Donald Knuth in seinem Buch "The Art of Computer Programming" [13] beschriebene mythische Computer ist, der in MIXAL, der MIX Assembly Language programmiert wird.

Das MDK enthält ein MIXAL Assembler Interface und die bereits erwähnt MIX Virtual Machine mit einem Kommandozeilen Interface. Anders als bei dem Mixal Projekt verfügt das MDK über Debuggingmöglichkeiten und unterstützt Block-Devices. Außerdem besitzt MDK eine relativ vollständige Dokumentation.

Unschön ist nach Aussage von Jose nur, daß MDK im Moment über keine GUI verfügt. Daher ist die Entwicklung eines ncurses und/oder GTK+/GNOME Frontends der nächste Schritt. Danach plant er, auch MMIX, die von Knuth geplante RISC-basierte Version des MIX zu unterstützen.

Schluß für heute

So, das war dann mal wieder die Kolumne für diesen Monat. Speziell da ich in letzter Zeit stark mit der Organisation der FSF Europe und dem GNU Business Network beschäftigt bin, wäre es gut, ein paar Freiwillige zu haben, die mir bei der Themensuche und -sichtung für die BGW zur Hand gingen. Wer Lust hat sich hier einzubringen, der möge sich unter der bekannten Adresse bei mir mir melden [1]. Diese Adresse steht natürlich auch allen Anderen offen, die Kommentare, Anregungen, Ideen oder Ähnliches loswerden möchten.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: column@gnu.org
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] Debian Jr. Projekt Homepage: http://www.debian.org/devel/debian-jr
[6] GTKtalog Homepage: http://gtktalog.sourceforge.net/
[7] Jam Homepage http://www.mybytes.de/jam/
[8] GNU Font Editor Homepage: http://www.gnu.org/software/gfe/gfe.html
[9] GNU Typist http://www.gnu.org/software/gtypist
[10] Typist (Java Version) http://www.ocston.org/~simonb/typist/
[11] International Shopping System Homepage: http://isosy.sourceforge.net/
[12] MIX Development Kit Homepage: http://mdk.sourceforge.net/
[13] Donald Knuth, "The Art of Computer Programming", Addison Wesley http://Sunburn.Stanford.EDU/~knuth/taocp.html


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Last modified: Tue Feb 13 14:52:36 CET 2001