Linux, GNU, and freedom

by Richard M. Stallman

 [image of a Philosophical Gnu] [ Englisch ]

Da Joe Barr's Artikel mein Vorgehen bezüglich SIGLINUX kritisierte, möchte ich zusammenstellen, was wirklich geschehen ist, und meine Gründe darlegen.

Als SIGLINUX mich einlud, eine Rede zu halten, war es eine "Linux Benutzer-Gruppe"; das heißt, eine Gruppe von Benutzern des GNU/Linux Systems, die das vollständige System "Linux" nennt. So antwortete ich höflich, daß sie das GNU Projekt gerecht behandeln sollen und das System "GNU/Linux" nennen, wenn sie wollen, daß jemand vom GNU Projekt eine Rede für sie hält. Das System ist eine Variante von GNU, und das GNU Projekt ist sein Hauptentwickler, also besagen soziale Konventionen, daß es bei dem Namen genannt werden sollte, den wir wählten. Ich lehne es normalerweise ab, Reden für Organisationen zu halten, die GNU die angemessene Anerkennung auf diese Weise verweigern, außer wenn es starke Gründe für eine Ausnahme gibt. Ich respektiere ihre Freiheit der Rede, aber auch ich habe die Freiheit, eine Rede nicht zu halten.

Anschliessend versuchte Jeff Strunk von SIGLINUX, die Politik der Gruppe zu ändern und bat die FSF, seine Gruppe in unserer WebSeite der GNU/Linux Benutzergruppen aufzunehmen. Unser Webmaster erklärte ihm, daß wir es nicht unter dem Namen "SIGLINUX" aufnehmen würden, weil dieser Name andeutet, daß die Gruppe sich mit Linux beschäftigt. Strunk schlug vor, den Namen zu "SIGFREE" zu ändern, und unser Webmaster stimmte zu, das dies eine gute Idee sei. (Der Artikel von Barrs sagt, daß wir diesen Vorschlag zurückwiesen.) Jedoch entschied die Gruppe schließlich, bei "SIGLINUX" zu bleiben.

An diesem Punkt wurde ich wieder auf die Angelegenheit aufmerksam und schlug vor, daß sie andere mögliche Namen erwägen. Es gibt viele Namen, die sie wählen könnten, die das System nicht "Linux" nennen würden, und ich hoffe sie denken sich einen aus, den sie mögen. Das ist der Stand dieser Angelegenheit, soweit ich weiß.

Ist es wahr, wie Barr schreibt, daß einige Leute diese Vorgehen als "Anwendung von Zwang" sehen, vergleichbar mit Microsofts Monopolgewalt? Möglicherweise. Eine Einladung zu einer Rede abzulehnen ist kein Zwang, aber Leute, die vorherbestimmt sind zu glauben, daß das gesamte System "Linux" ist, entwickeln manchmal erstaunlich verzerrte Ansichten. Um diesen Namen als gerechtfertigt anzusehen, müssen sie Maulwurfshügel als Berge und Berge als Maulwurfshügel sehen. Wenn du die Tatsachen ignorieren und glauben kannst, daß Linus Torvalds das vollständige System entwickelte, beginnend 1991, oder, wenn du deine gewöhnlichen Grundregeln der Gerechtigkeit ignorieren und glauben kannst, daß Torvalds die alleinige Anerkennung erhalten sollte, obwohl er das nicht tat, ist es ein kleiner Schritt, zu glauben, daß ich dir eine Rede schulde, wenn du darum bittest.

Überlegen Sie einfach: das GNU Projekt fängt an, ein Betriebssystem zu entwickeln, und Jahre später fügt Linus Torvalds ein wichtiges Stück hinzu. Das GNU Projekt sagt, "bitte erwähne unser Projekt gleichberechtigt", aber Linus sagt, "gebet ihnen keinen Anteil an der Anerkennung; nennt die vollständige Sache allein nach meinem Namen!" Jetzt stellen sie sich die Gedankenwelt einer Person vor, die diese Fälle betrachten kann und das GNU Projekt der Selbstgefälligkeit beschuldigt. Es erfordert starke Vorurteile, ein so drastisches Fehlurteil zu fällen.

Jemand, der so voreingenommen ist, kann alle Art der unfairen Sachen über das GNU Projekt sagen und sie für gerechtfertigt halten; seine Freunde unterstützen ihn, weil jeder die Unterstützung des anderen wünscht, um sein Vorurteil beizubehalten. Andersdenkende können beschimpft werden; wenn ich es ablehne, an einer Tätigkeit unter der Rubrik "Linux" teilzunehmen, so können sie das für unentschuldbar halten, und mich verantwortlich machen für den Groll, den sie empfinden. Wenn so viele Leute von mir wollen, daß ich das System "Linux" nenne, wie kann ich, der ich bloß seine Entwicklung anstieß, nicht einwilligen? Und ihnen eine Rede gewaltsam zu verweigern, heißt sie gewaltsam unglücklich zu machen. Das ist Zwang, so böse wie Microsoft!

Jetzt könnten Sie sich wundern, warum ich nicht einfach weniger Wirbel um die Angelegenheit mache und dieses ganze Leid vermeide. Als SIGLINUX mich einlud, eine Rede zu halten, hätte ich sagen können "nein, tut mir leid" und die Angelegenheit wäre erledigt gewesen. Warum habe ich das nicht getan? Ich bin bereit, das Risiko auf mich zu nehmen, persönlich mißbraucht zu werden, um die Chance zu nutzen, den Fehler zu beheben, der die Bemühungen des GNU Projektes untergräbt.

Diese Variante des GNU Systems "Linux" zu nennnen, spielt den Leuten in die Hände, die ihre Software allein auf der Grundlage von technischem Vorteil auswählen und sich nicht dafür interessieren, ob sie ihre Freiheit respektiert. Es gibt Leute, wie Barr, die sich ihre Software "frei von Ideologie" wünschen und jedermann kritisieren, der sagt, daß Freiheit eine Rolle spielt . Es gibt Leute wie Torvalds, die unsere Community zum Gebrauch von einem nicht-freien Programm drängen, und jeden, der sich beschwert, herausfordern sofort ein (technisch) besseres Programm zur Verfügung zu stellen oder still zu sein. Es gibt Leute, die sagen, daß technische Entscheidungen nicht politisiert werden sollten durch die Betrachtung ihrer sozialen Konsequenzen.

In den 70ern verloren Computerbenutzer die Freiheit, Software weiterzugeben und zu ändern, weil sie ihre Freiheit nicht schätzten. Computerbenutzer gewannen diese Freiheit in den 80ern und 90ern weil eine Gruppe Idealisten, das GNU Projekt, glaubten, das es die Freiheit ist, die ein Programm besser macht, und bereit waren, dafür zu arbeiten, woran wir glaubten.

Wir haben heute teilweise die Freiheit, aber unsere Freiheit ist nicht sicher. Sie wird vom CBDTPA (früher SSSCA) und von der Broadcast "Protection" Diskussionsgruppe (siehe http://www.eff.org /) bedroht, die vorschlägt, freier Software zu verbieten, digitale Fernsehsendungen zugänglich zu machen. Sie wird bedroht durch Software-Patente (Europa erwägt jetzt, Software-Patente einzuführen), bedroht von den Microsoft nondisclosure Vereinbarungen für lebenswichtige Protokolle und von jedem, der uns mit einem nicht-freien Programm in Versuchung führt, das (technisch) "besser" als vorhandene freie Programme ist. Wir können unsere Freiheit wieder verlieren, genau so, wie wir sie das erste mal verloren haben, wenn wir uns nicht genug darum kümmern, sie zu schützen.

Werden sich genügend viele von uns darum kümmern? Das hängt von vielen Sachen ab; darunter wieviel Einfluß das GNU Projekt hat und wieviel Einfluß Linus Torvalds hat. Das GNU Projekt sagt, "Schätze deine Freiheit!" Joe Barr sagt, "Wähle zwischen den nicht-freien und freien Programmen alleine auf technischer Grundlage!" Wenn Leute Torvalds als den Hauptentwickler des GNU/Linux Systems anerkennen, ist das nicht nur ungenau, es macht auch seine Botschaft einflußreicher -- und diese Botschaft sagt, "Nicht-freie Software ist okay; Ich verwende sie und entwickele sie selbst." Wenn sie unsere Rolle erkennen, hören sie mehr auf uns, und die Botschaft, die wir ihnen bringen, ist, "dieses System besteht wegen der Leute, die sich um die Freiheit gekümmert haben. Komm zu uns, schätze deine Freiheit, und zusammen können wir sie erhalten." Siehe http://www.gnu.org/gnu/the-gnu-project.html zur Geschichte.

Wenn ich Leute bitte, das System GNU/Linux zu nennen, reagieren einige von ihnen mit dummen Entschuldigungen und Ausreden. Aber vermutlich haben wir nichts verloren, weil sie uns von Anfang an nicht wohlgesonnen waren. Unterdessen beachten andere Leute die Gründe, die ich angebe und verwenden diesen Namen. Indem sie das tun, helfen sie, anderen Leuten bewußt zu machen, warum das GNU/Linux System wirklich besteht, und dieses erweitert unsere Fähigkeit, die Idee zu verbreiten, daß Freiheit ein wichtiger Wert ist.

Deshalb halte ich meinen Kopf hin gegen Voreingenommenheit, Verleumdung und Leid. Sie verletzen meine Gefühle, aber, wenn ich erfolgreich bin, hilft diese Bemühung der GNU Projektkampagne für die Freiheit.

Da das obige im Kontext von Linux (dem Kernel) und von Bitkeeper aufkam, das nicht-freie Versionskontrollsystem, das Linus Torvalds jetzt gebraucht, möchte ich diesen Punkt außerdem ansprechen.

Die Bitkeeper Angelegenheit:

Der Gebrauch von Bitkeeper für die Linux Quellen hat einen ernsten Effekt auf die freien Software-Gemeinschaft, weil jedermann, der Patches zu Linux zeitnah verfolgen will, es nur tun kann, indem er das nicht-freie Programm installiert. Es muß Dutzende oder sogar Hunderte Kernel Hacker geben, die dies getan haben. Die meisten von ihnen überzeugen sich stufenweise, daß es okay ist, nicht-freie Software zu benutzen, um die Wahrnehmung des Widerspruchs über das Vorhandensein von Bitkeeper auf ihren Maschinen zu vermeiden. Was kann man da machen?

Eine Lösung ist, ein anderes Repositorium für die Linux Quellen mit CVS oder einem anderen freien Versionskontrollsystem zusammenzustellen und es einzurichten, neue Versionen in dieses automatisch zu laden. Dabei könnte Bitkeeper verwendet werden, um auf die neuesten Revisionen zuzugreifen, um dann die neuen Revisionen ins CVS einzufügen. Dieser Updateprozeß könnte automatisch und häufig laufen.

Die FSF kann dies nicht tun, weil wir Bitkeeper nicht auf unsere Maschinen installieren können. Wir haben bis jetzt keine nicht-freien Systeme oder Anwendungen auf ihnen, und unsere Grundregeln besagen, daß wir daran festhalten müssen. Das Aufsetzen dieses Repositoriums muß von jemand anderem geleistet werden, der bereit ist, Bitkeeper auf seiner Maschine zu installieren, es sei denn es findet oder erstellt jemand eine Möglichkeit das unter Verwendung freier Software zu tun.

Die Linux Quellen selbst haben sogar ein noch ernsteres Problem mit nicht-freier Software: sie enthalten selbst welche. Einige wenige Gerätetreiber enthalten Reihen von Zahlen, die Firmwareprogramme darstellen, die in dem Gerät installiert werden. Diese Programme sind keine freie Software. Einige Zahlen, die in Geräteregistern abgelegt werden, sind eine Sache, ein Programm mit erheblichem Umfang eine andere.

Das Vorhandensein dieser nur binären Programme in den "Quell"-Dateien von Linux verursachen ein Sekundärproblem: es stellt in Frage, ob Linux Binaries überhaupt legal weitergegeben werden können. Die GPL erfordert das "vollständige entsprechende Quellprogramm," und eine Reihenfolge von ganzen Zahlen ist nicht das Quellprogramm. Aus dem gleichen Grunde verletzt das Hinzufügen eines solchen Binäries zu den Linux Quellen die GPL.

Die Linux Entwickler haben einen Plan, diese Firmwareprogramme in getrennte Dateien zu verschieben; es dauert einige Jahre, das zu erreichen, aber, wenn sie ihn durchgeführt haben, ist das Sekundärproblem gelöst; wir könnten eine "freie Linux" Version bilden, die keine nicht-freien Firmwareprogrammdateien hat. Das allein bringt nicht viel, wenn die meisten Leute die nicht-freie "amtliche" Version von Linux verwenden. Das kann gut passieren, weil auf vielen Plattformen die freie Version nicht ohne die nicht-freien Firmwareprogramme läuft. Das "freie Linux" Projekt muß herausfinden, was die Firmwareprogramme tun, und ein Quellprogramm dafür schreiben, möglicherweise in der Assemblersprache für den eingebetteten Prozessor, auf welchem auch immer es läuft. Das ist eine schreckliche Arbeit. Es wäre weniger erschreckend, wenn wir es Stück für Stück über die Jahren getan hätten, anstatt es anzusammeln. Um Leuten dafür zu gewinnen, diese Arbeit zu erledigen, müssen wir die Idee überwinden, die durch einige Linux Entwickler verbreitet wurde, daß diese Arbeit nicht notwendig ist.

Linux, der Kernel, wird häufig für das Flaggschiff der freien Software gehalten, dennoch ist seine gegenwärtige Version teilweise nicht-frei. Wie geschah das? Dieses Problem, wie die Entscheidung Bitkeeper zu verwenden, reflektiert die Haltung des ursprünglichen Entwicklers von Linux, eine Person, die denkt, daß "technisch besser" wichtiger als Freiheit ist.

Schätze deine Freiheit oder du wirst sie verlieren, lehrt die Geschichte. "Belästige uns nicht mit Politik," reagieren die, die nicht lernen wollen.

Copyright © 2002 Richard M. Stallman

Die unveränderte Wiedergabe und Verteilung dieses gesamten Textes ohne Lizenzgebühr in beliebiger Form ist gestattet,sofern dieser Hinweis beibehalten wird.
In english: Verbatim copying and distribution of this entire article is permitted without royalty in any medium, provided this notice is preserved.


See also Other Texts to Read


Return to GNU's home page.

Please send FSF & GNU inquiries & questions to gnu@gnu.org. There are also other ways to contact the FSF.

Please send comments on these web pages to webmasters@gnu.org, send other questions to gnu@gnu.org.


This article was originally translated by Martin Hippe, and reviewed by Luis M. Arteaga .
Updated: $Date: 2003/02/06 22:35:25 $ $Author: guido_arnold $